Anstalt Irsee:
informieren / gedenken / bilden

Am 1. September 1849 wird in Kloster Irsee die erste stationäre Psychiatrie in Schwaben als „Kreis-Irren-Anstalt Irsee“ eröffnet. In ihrer Satzung heißt es: „Der Zweck der Anstalt ist Heilung und Verpflegung heilbarer und unheilbarer Geisteskranker beiderlei Geschlechts. […] Die möglichst sorgfältige, menschenfreundliche Behandlung der Kranken bildet die erste Pflicht aller Beamten und Offizianten [Angestellten] der Anstalt. […] Jede körperliche oder geistige Mißhandlung ist auf’s Strengste untersagt.“
Zunächst stehen in Irsee 80 Plätze für psychisch kranke Menschen zur Verfügung, später bis zu 200. Doch der Bedarf ist groß und die Anstalt bald überfüllt. 1876 wird die „Bayerische Heilanstalt für Geisteskranke in Kaufbeuren“ neu gebaut. Irsee ist fortan Zweigstelle von Kaufbeuren, überwiegend für chronisch kranke Patientinnen und Patienten.
In der Zeit des Nationalsozialismus ist der Anstaltsteil Irsee in vielfältiger Weise in „Euthanasie“-Aktionen eingebunden: 400 Patientinnen und Patienten werden von hier aus in Tötungsanstalten deportiert. In Irsee selbst sterben zwischen 1940 und 1945 mehr als 800 Personen durch Vernachlässigung, Hungerkost oder tödliche Medikamentengaben.
1972 wird die Anstalt Irsee aufgrund baulicher Mängel geschlossen. Nach der Generalsanierung wird die Klosteranlage im Sommer 1981 als Tagungs-, Bildungs- und Kulturzentrum des Bezirks Schwaben neu eröffnet. Auch die Schwabenakademie und das Bildungswerk des Bayerischen Bezirketags finden hier ihre Heimat. Zeitgleich wird auf dem Anstaltsfriedhof das erste dauerhafte Mahnmal für die Opfer der NS-„Euthanasie“ aus bayerischen Heil- und Pflegeanstalten eingeweiht. Seit 2010 findet dort am 1. November die Gedenkveranstaltung „Lichter gegen das Vergessen“ statt. 1996 wird die ehemalige Prosektur zum Ort des Gedenkens. 2023 wird sie saniert und der Gedenkraum erhält eine neue Gestaltung. „Stolpersteine“ vor dem Kloster erinnern an ermordete Patientinnen und Patienten. Der Informationsraum zur Anstaltsgeschichte mit zugehöriger App wird 2024 eröffnet.
„Anstalt Irsee: informieren, gedenken, bilden“ bettet die lokalen Ereignisse in den gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Zusammenhang ihrer Zeit ein. Individuelle Lebens- und Leidensgeschichten beleuchten verschiedene Perspektiven auf die Geschichte der Psychiatrie. Wir laden zum Innehalten, Nachdenken und Gedenken ein. Das Geschehene ist nicht ungeschehen zu machen. Die Opfer der menschenverachtenden NS-Politik waren Menschen wie wir. Das gilt auch für die Täter und Täterinnen sowie für diejenigen, die ihnen geholfen oder aber Widerstand geleistet haben. Es liegt an uns, aus der Geschichte zu lernen.