Der Anstaltsfriedhof

Ein eigener Friedhof für die „Heil- und Pflegeanstalt Irsee“ wurde erst im April 1944 angelegt. Bis dahin waren die verstorbenen bzw. in der Zeit der Nationalsozialismus getöteten Patientinnen und Patienten auf dem Ortsfriedhof bei St. Stephan in einem der Anstalt vorbehaltenen Areal bestattet worden. Noch heute steht dort eine kleine Kapelle. Auf dem Höhepunkt des Patientensterbens durch
Medikamentengaben und Hungerkost reichte der Platz auf dem öffentlichen Friedhof nicht mehr aus.

Der terrassenförmig angelegte neue Anstalts-Friedhof diente unterhalb des großen Kreuzes der Urnenbeisetzung, in den übrigen
Abteilungen fanden Erdbestattungen statt. Die Einäscherungen erfolgten zwischen November 1944 und Kriegsende in einem
eigens errichteten Krematorium auf dem Gelände der Anstalt Kaufbeuren. Die Erdbestattungen begannen im April 1944 zunächst
im hinteren, nordöstlichen Teil des Friedhofs. Danach folgten die Belegungen der südöstlichen und südwestlichen Abteilungen und
zuletzt der höher gelegenen nordwestlichen Abteilung.

Von April 1944 bis Mai 1972 wurden auf dem Irseer Anstalts-Friedhof über 700 Patientinnen und Patienten bestattet. Allein im
Zeitraum von April 1944 bis Mai 1945 fanden hier etwa 380 Menschen ihre letzte Ruhestätte. Viele von ihnen verstarben aufgrund
nationalsozialistischer „Euthanasie“-Maßnahmen, vor allem infolge der Hungerkost und der damit verbundenen Auszehrung.
Nach Auflösung der Anstalt 1972 wurde der Friedhof nicht weiter gepflegt. Im Laufe der Zeit verschwanden die Kreuze auf den
Gräbern und die Bepflanzung verwilderte. Der Friedhof wurde unkenntlich und geriet weitgehend in Vergessenheit.

Im Sommer 1981 wurde anlässlich der Eröffnung von Kloster Irsee als Tagungs-, Bildungs- und Kulturzentrum des Bezirks Schwaben
das Denkmal „Lass mich deine Leiden singen“ errichtet und den „stummen Opfern politischer Gewaltherrschaft“ gewidmet. Das
Schwäbische Bildungszentrum ließ zwischen 2010 und 2013 die Friedhofsanlage wiederherstellen, um die Erinnerung an die Opfer
der NS-„Euthanasie“ wachzuhalten.